Wann kommt das Reich Gottes?
„Wann kommt das Reich Gottes?“, fragen die Pharisäer - und meinen damit die »Befreiung des Gottesvolkes Israel von der Herrschaft durch die Römer. „Wann kommt das Reich Gottes?“, fragen die Revolutionäre - und meinen damit die Beendigung der Ungerechtigkeit auf Erden, die klassenlose Gesellschaft. „Wann kommt das Reich Gottes?“, fragen Pharisäer, Pietisten, Ketzer, Sklaven, Sozialisten, Philosophen. Und wir? Seien wir ehrlich: Wen interessiert diese Frage noch? Wir hoffen, dass die Preise stabil bleiben; wir hoffen auf einen schönen Urlaub; wir hoffen, dass alles so bleibt, wie es ist. Unsere Hoffnungen sind kleiner geworden. „Sich durchschlagen“ heißt die Devise und „aus allem das Beste machen“. Auch wenn wir es nicht merken, es klingt nach Resignation. „Wann kommt das Reich Gottes?“ Jesus gibt drei Antworten.
- „Das Reich Gottes kommt nicht so, dass man es beobachten könnte.“ Wie schade, das wäre doch zu schön: Erst einmal beobachten, erst einmal zweifelsfrei feststellen, dass es mit dem Reich Gottes vorwärts geht - und dann machen auch wir mit! Das geht nicht, sagt Jesus. Das Reich Gottes ist nichts für Zuschauer!
- „Man wird auch nicht sagen können: Siehe, hier ist es oder dort!“ Es lässt sich nicht organisieren, wir können es nicht machen. Wir können viel organisieren, wir haben sogar die Pflicht, die menschliche Gesellschaft besser zu organisieren, als sie es heute ist, aber am Ende wird nicht das Reich Gottes stehen. Noch alle, die den Himmel auf Erden versprochen haben, haben eher die Hölle auf Erden produziert - Hitler, Stalin und andere.
- „Siehe, das Reich Gottes ist mitten unter euch!“ Über diese Antwort Jesu hat man 2000 Jahre lang gerätselt. Was hat er damit gemeint? Man kann diesen Satz auf die Zukunft beziehen, dann will Jesus sagen: Das Reich Gottes kommt ganz überraschend, man kann es nicht berechnen. Darum seid wachsam, stellt euch darauf ein, dass Gott euch, wenn er kommt, an der Arbeit findet!
Man kann diesen Satz - wahrscheinlicher - auch auf die Gegenwart beziehen, dann heißt er: „Das Reich Gottes ist jetzt schon in eurer Mitte - in meinem Reden, in meinem Tun.“ In der Tat ist Jesus mit dem Anspruch aufgetreten, dass mit seinem Kommen das Reich Gottes beginnt. Doch das war damals, was ist heute? „Ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.“ Das ist nicht nur symbolisch gemeint. Er ist, auch wenn wir ihn nicht beobachten können, tatsächlich bei uns, als die Kraft, die uns vorantreibt, als die Frage, die uns ständig herausfordert, als der Halt, der uns trägt auch in Niederlagen.
Das Reich Gottes fängt mitten unter uns an, weil Jesus mitten unter uns ist. Unsere Hoffnungen sind kleiner geworden. Utopien haben es zurzeit schwer. Beim Reich Gottes aber geht es nicht nur um mich und meine Probleme. Die Utopie des Reiches Gottes ist verbunden mit der Hoffnung auf das gute Leben für alle, ein Leben in Gerechtigkeit und Frieden. Nicht mehr und nicht weniger.
Hans-Joachim Janus