Er will ankommen in unserem Lebensalltag
„Achtung an Gleis 9! Der ICE aus Hannover fährt ein!“ Der Lautsprecher verstummt wieder. Bewegung kommt in die Wartenden auf dem Bahnsteig. Mit einem leisen Summen schiebt sich ein eleganter weißer Zug in den Bahnhof. Wie von Geisterhand öffnen sich die Türen. Menschen strömen auf den Bahnsteig. Händeschütteln, Umarmungen, Küsse, Freudentränen. „Schön, dass du da bist!“
Vier Minuten später fast genau dasselbe Bild: Händeschütteln, Umarmungen, Küsse, Abschiedstränen. „Pass gut auf dich auf!“ Wieder der Lautsprecher: „Achtung auf Gleis 9! Der ICE nach München fährt ab. Bitte treten Sie zurück. Die Türen schließen automatisch.“ Ein letzter Blick, Taschentücher, Winken. Fast lautlos schiebt sich ein weißer eleganter Zug aus dem Bahnhof und verschwindet.
Kommen und Gehen – das ist der Bahnhofsalltag. Kommen und Gehen – das ist auch unser Lebensalltag. Wir leben zwischen Kommen und Gehen. Kinder werden geboren. Menschen müssen sterben. Freudentränen werden geweint und Abschiedstränen. So ist das am Bahnsteig des Lebens.
Totensonntag am 23. November. In den Gottesdiensten bei der Verlesung der Namen und an den Gräbern fließen Tränen, weil Menschen gehen mussten… Und unmittelbar am Sonntag darauf, am 1. Advent feiern wir einen, der ankommt. Einer, Jesus Christus, ist angekommen. Als Mensch ist Gott angekommen auf dem Bahnhof der Welt. Die Bibel hat ihn angesagt: „Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer.“ (Sacharja 9,9)
Doch aus den Lautsprechern tönt es: „Alle Jahre wieder...“ Menschen hasten umher. Geschenke werden gesucht, gekauft, verpackt. Kerzen und Lichterketten glänzen. Tannenreisig, Gebäck und Braten duften. Ein großer Bahnhof...
Doch dabei will dieser König nur eins: Er will ankommen in unserem Lebensalltag. Wirklich ankommen. Er will da sein, wirklich da sein, für uns in unserem Kommen und Gehen, im Lachen und Weinen, im Starksein und Schwachsein...
„Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer.“ Wir bekommen mit ihm sicher nicht all das, was wir wollen. Aber wir bekommen ganz sicher den, den wir brauchen.
Von ihm, den wir brauchen, reden und singen wir in unseren Gottesdiensten. Zu ihm beten wir. Denn von ihm zu reden und zu singen und zu ihm zu beten, das lässt ihn wirklich ankommen – in uns und bei uns.
(Roland Krause)