Krieger – Menschen – Schutzbefohlene Gottes
Relief-Figuren an einem dörflichen Kriegerdenkmal für den Ersten Weltkrieg. Man muss mehrmals hinsehen, um zu begreifen, was da vor sich geht und was die Menschen bei der Enthüllung und den ersten „Heldengedenkfeiern“ wohl denken sollten.
Helme haben diese Männer ja auf, um sie als Krieger zu kennzeichnen, aber sonst keine Uniformen an – überhaupt soll die Freikörperdarstellung eben Stilmittel dieser Kunst sein: Die Nacktheit soll wohl Kraft zeigen, nicht Schutzlosigkeit. Und darf keinesfalls zugeben, dass in gewissen Situationen der Mensch zur Bestie werden kann. Die wirklichen Gefahren werden in der harmonischen Anordnung des Bildes geschickt versteckt. Die Bewegungen möglichst elegant – wie bei einem sportlichen Spiel.
Und es ist doch kein Spiel! Was dachten wohl die Angehörigen der Gefallenen, wenn sie hier standen? Der Mann, der Sohn, der Freund – wirklich auf diese „harmonische“ Weise umgekommen? Oder wussten sie, dass es ganz anders gewesen sein könnte? Sie wussten sicher mehr, hinterher wenigstens, als sie nach außen zeigen konnten. Und die aus dem Krieg Heimgekehrten wussten es erst recht. Doch man musste sich ja arrangieren, musste ja weiterleben.
Im Lauf der Jahrzehnte hat man sich mit vielerlei arrangiert; die Kriege wurden schlimmer. Die Menschen wissen aber auch mehr. Einerseits lassen sie sich nicht mehr so leicht wie am Anfang des letzten Jahrhunderts etwas vormachen. Andererseits wurden die Methoden der Propaganda und der Gewaltverharmlosung auch raffinierter. Doch die Gefahren kann man heutzutage und hierzulande wenigstens ehrlich benennen. Und das ist schon ein Fortschritt.
Christen glauben an Gottes Verheißung eines neuen Himmels und einer neuen Erde – auf welcher Gerechtigkeit und Frieden wohnen. Glauben heißt nicht: Abwarten, bis Gott etwas tut; sondern: in der Kraft Gottes erwartungsvoll handeln.
Vielleicht hilft da doch noch ein letzter Blick auf das alte Kriegerdenkmal. Wenn man genau hinsieht, sieht man hier Freund und Feind. Und beide kann man gar nicht recht unterscheiden – sie haben ja keine Uniformen an. Sie alle sind gleichermaßen verletzliche Menschen – keiner hat einen Vorzug vor dem andern. Sind nicht alle deshalb gleichermaßen: Schutzbefohlene Gottes? Diese Einsicht wäre einer der wichtigsten Schritte zu dem Frieden, den doch alle nötig haben.
Hermann Aichele-Tesch