Der liebe Gott sieht alles
Jetzt hat sie wieder begonnen, die süße Zeit der Kirschen.
Folgende Geschichte ist mir dabei in den Sinn gekommen: Ein Pfarrer besaß etwas außerhalb seiner Gemeinde ein kleines Gartengrundstück. Auf diesem Grundstück stand ein schöner Baum mit den herrlichsten Kirschen.
Doch jedes Jahr, wenn die Kirschen reif waren und der Pfarrer sie ernten wollte, waren ein paar Jungen aus dem Dorf schneller und stibizten sich die schönsten Früchte. Nach zwei Jahren wurde es dem Pfarrer zu dumm und er stellte kurz vor der Kirschenernte ein Schild vor den Baum mit folgender Aufschrift: „Der liebe Gott sieht alles". Damit meinte er, die Übeltäter bei ihrem Gewissen packen zu können.
Voller Freude machte er sich in jenem Jahr dann auf den Weg zur Kirschenernte. Doch welche Enttäuschung, als er beim Baum ankam. Wieder waren die schönsten Kirschen verschwunden. „So eine Sauerei", dachte der Pfarrer. „Haben die denn mein Schild nicht gesehen?" Doch da täuschte er sich. Sein Schild stand immer noch fein säuberlich an Ort und Stelle. Auch seine Aufschrift war noch drauf: „Der liebe Gott sieht alles." Doch darunter stand folgende Ergänzung. „Ja, aber er petzt nicht."
„Der liebe Gott sieht alles, aber er petzt nicht." An diesen Satz musste ich denken beim Lesen des Monatsspruchs für diesen Juli. Der Spruch steht in Psalm 139,5: „Von allen Seiten umgibst du mich und hältst deine Hand über mir." Oder wie es in der Guten Nachricht heißt: „Von allen Seiten umgibst du mich, ich bin ganz in deiner Hand." Wie ist das, ganz in Gottes Hand zu sein? Schön oder eher unheimlich? In diesem Psalm kommen ja auch Verse vor wie „Herr, du durchschaust mich, du kennst mich bis auf den Grund, du kennst meine Pläne von ferne. Jeder Schritt den ich mache ist dir bekannt." „Ja, der liebe Gott sieht alles". So könnte man diesen Psalm verstehen. „Und warte nur, wenn du eine Fehler machst, dann würgt er dir eine rein. Er steht immer hinter dir mit der Peitsche in der Hand und wenn du nicht spurst dann krachts."
Doch genau so ist Gott nicht. Natürlich sieht der liebe Gott alles. Gott kennt dich durch und durch, mit deinen Fehlern und Macken. Gott weiß, wer du bist. Aber jetzt kommt das Erstaunliche. Gott lässt dich nicht fallen, so wie wir Menschen das tun würden. Nein, er will dich in seiner Hand halten. Er gibt sein Bestes für dich. Sein Sohn trägt die Strafe, die eigentlich uns gelten müsste. Und warum das alles? Weil wir Gott so sehr am Herzen liegen. Jawohl, du liegst Gott am Herzen. Er lässt sich nicht davon abhalten, dich zu lieben. Ja, der liebe Gott petzt nicht. Ihm kannst du das anvertrauen, was verpfuscht ist in deinem Leben. Er will und kann helfen. Gott hält seine Hand über uns. Nicht um uns eine rein zu würgen, sondern um uns zu schützen und uns zu helfen. Insofern ist dieser Monatsspruch für mich ein ganz großer Trost. Gott kennt mich, er weiß von mir, was niemand anders weiß. Und trotzdem oder gerade deshalb hält er mich liebevoll in seiner Hand. Denken sie in diesem Sommer immer wieder daran": „Der liebe Gott sieht alles, aber er petzt nicht!"
Herzliche Sommergrüße von Pfarrer Hans Georg Schmid aus Nordhausen.